Ist das gerecht?
In einem Familienunternehmen wirken drei sehr unterschiedliche Systeme aufeinander. Die Familie, das Unternehmen und das Eigentum. Jedes dieser drei Kreise hat seine eigenen Spielregeln was die Aufnahme in den Kreis, die richtige Kommunikation und das Gefühl von Recht und Unrecht anbelangt. Es bietet sich an, Konflikte in einem Familienunternehmen zunächst und vor allem unter dem Gesichtspunkt von Gerechtigkeit zu beleuchten, da auf diesem Feld häufig Konflikte entbrennen.
Das Gespür für Gerechtigkeit ist variabel und immer wieder Thema unterschiedlichster philosophischer Auseinandersetzungen. So ist es nicht verwunderlich, dass Gerechtigkeit auch in Familie, Unternehmen und Gesellschafterkreis völlig unterschiedlich definiert wird. In der Familie orientiert man sich an Liebe und Bedürftigkeit, im Unternehmen an Leistung und im Gesellschafterkreis an Gleichheit. Entscheidungen können aus der Perspektive einer anderen Systemlogik als gerecht oder ungerecht empfunden werden. In puncto Gerechtigkeit kommt neben den drei Sozialsystemen Familie, Unternehmen und Eigentümer auch noch das Rechtssystem als weiteres Element und bestimmendes Moment hinzu.
Nicht nur das Gefühl für Gerechtigkeit wird in den unterschiedlichen Systemen kontrovers ausgelegt, es können zu dem Abläufe nach Prozessgerechtigkeit, Ergebnisgerechtigkeit und Vergeltungsgerechtigkeit unterschiedlich beleuchtet werden.
Es kann also ein Prozess, der zu einer bestimmten Entscheidung führte, als gerecht oder ungerecht empfunden werden. Ein gefundenes Ergebnis kann als gerecht und ungerecht wahrgenommen und eine getroffene Maßnahme eine gerechte oder doch eher ungerechte Entschädigung für erlittenes oder gefühltes Unrecht sein – je nachdem aus welchen Blickwinkel betrachtet und zu welcher Gruppe man sich gerade zugehörig zählt.
Ob etwas als gerecht oder ungerecht empfunden wird, hängt von vielen Faktoren ab und kann häufig gar nicht im Vorwege beantwortet werden. Jedoch kann ein fairer Entscheidungsprozess maßgeblich dazu beitragen, eine gemeinsam gefundene Maßnahme von allen als gerechter empfunden zu werden, auch wenn sie für den oder die Beteiligten ungünstig ausfallen sollte. Einen fairen Entscheidungsprozess zeichnen folgende Faktoren aus:
- Kommunikation mit und eine Stimme für jeden Betroffenen
- Klarheit der Informationen, des Prozesses und der Erwartungen
- Einigkeit über die Prozedur der Entscheidungsfindung, der Beteiligten, die Zeit sowie
- Übereinstimmung mit akzeptierten Werten und Normen
- Veränderbarkeit der Entscheidungen, Prozesse, Ziele und Prinzipien
- Verpflichtung zur Fairness
Fair gestaltete Prozesse haben auch den Vorteil, dass sie ein Klima von Vertrauen schaffen, in dem Konflikte konstruktiver ausgetragen werden können. Konnten einmal Prozeduren und Rituale für eine allseits akzeptierte Konfliktlösungsstrategie etabliert werden, können allgemein die Kosten und die Dauer von Konflikten gesenkt werden und häufig gar präventiv wirken.
Einen Prozess für alle Beteiligten fair zu gestalten ist eine große Aufgabe. Sollten Sie sich an einem Punkt in Ihrem Unternehmen befinden, wo Sie über Entscheidungen nachdenken, die einen größeren Kreis von Beteiligten betreffen oder gar eine Auseinandersetzung über Gerechtigkeit führen, lassen Sie sich von professioneller Seite begleiten. Eine neutrale Person, die nicht in die emotionalen Verwicklungen verstrickt ist und die allparteiliche Sicht eines Mediator, erleichtern in jedem Fall das Aufrechthalten der oben genannten Faktoren. Es lohnt sich bestimmt.
Ihre
Annette Plambeck-Warrelmann
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